"Wenn es dir gut tut, dann komm!"
(Franz von Assisi)In Dunkelheit geboren
Weihnachtsbotschaft
Immer wieder dieselbe Bemerkung. Sobald ich mein Geburtsdatum nenne, höre ich: „Oh, an so einem Tag Geburtstag zu haben ist aber blöd!“ Während ich unweigerlich tief Luft hole und innerlich die Augen verdrehe, versuche ich meinem Gegenüber zu erklären, dass ich es gar nicht so schlimm finde an Heiligabend Geburtstag zu haben. Im Gegenteil: Es ist ein wunderbarer Tag zum Geburtstag haben! Ein Tag mit einer tiefen, spirituellen Bedeutung. Doch meistens habe ich den traurigen Eindruck, dass sich Heiligabend für viele nur an der Oberfläche abspielt. Da geht es um Geschenke, um das Weihnachtsessen, die Dekoration, die Musik, Familienbesuche und anderes. Verstehen Sie mich nicht falsch, das hat alles seinen Wert. Aber wenn ich mir nicht die Mühe mache, in die Tiefe dieses Festes hinabzusteigen, dann werde ich Weihnachten nicht wirklich erleben.
Weihnachten ist ein Fest, das eine enge Verbindung zur Dunkelheit hat. Wir können noch so viele Kerzen anzünden, die Weihnachtsbeleuchtung aufhängen und die Nacht zum Tag machen. Es wird nichts daran ändern, dass es all diese Dunkelheiten in unserer Welt gibt: Kriege, Armut, Gewalt, Naturkatastrophen, unerträgliches Leid, Tod. Dazu kommen noch unsere eigenen Dunkelheiten: Trauer, Krankheit, Einsamkeit, Verlust, Ängste, Konflikte, Arbeitslosigkeit, usw. All das ist da, vor Weihnachten und nach Weihnachten. Die Heilige Nacht ist für mich genau die Zeit, mich mit dieser Dunkelheit zu konfrontieren. Eine Zumutung? Schauen wir doch mal genau hin, was dort passiert ist, in Bethlehem vor über 2000 Jahren.
Eine hochschwangere Frau ist mit ihrem Mann, der nicht Vater des Kindes ist (damals ein Skandal!) auf dem Weg nach Bethlehem. Die Besatzermacht Rom hatte den Befehl erteilt, dass sich alle in Steuerlisten eintragen müssen. In der Herberge wird das junge Paar abgewiesen. Ihnen bleibt nur ein ärmlicher Stall als Unterkunft, draußen vor der Stadt. Das Kind wird geboren und in einen Futtertrog gelegt. Was für eine Armut und Not!
Wir Christen glauben, dass in diesem Kind Gott selbst zur Welt gekommen ist. Was für ein Gott! Hätte er sich nicht einen schöneren Ort und eine bessere Zeit aussuchen können, um Mensch zu werden? Nein, er sucht sich ausgerechnet ein Land aus, wo Menschen brutal unterdrückt werden und Gewalt an der Tagesordnung ist. Gott sucht sich eine Familie aus, die ihm nur einen Stall als Geburtsort bieten kann.
An diesem Ort fühle ich mich gut aufgehoben in der Heiligen Nacht. Dort in der Dunkelheit darf ich sein mit all meiner Dunkelheit. Ich muss nichts verstecken. Zu diesem ärmlichen Stall dürfen alle kommen, die Trauer im Herzen tragen, die krank, ausgestoßen, verzweifelt sind. Die von Ängsten heimgesucht und von Sorgen erdrückt werden. Alles darf sein, wie es ist. Weil dort ein Kind ist, das ein Licht in diese Welt gebracht hat. Ein zartes, kleines Licht, das sich nie mehr auslöschen lässt. Ein Hoffnungslicht, welches uns verheißt, das in jeder Dunkelheit etwas neu geboren werden kann. Auch in meiner!
Ich bin nicht naiv. Dunkelheit kann bisweilen sehr zerstörerisch sein, Menschen in einen Abgrund reißen. Dann braucht es professionelle Hilfe, um wieder etwas Licht am Horizont zu entdecken. Gleichzeitig birgt die Dunkelheit die Chance zur Verwandlung. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass gerade am Tiefpunkt ihres Lebens etwas neu geboren wird. Plötzlich tut sich eine neue Perspektive auf, bricht sich eine Erkenntnis bahn, werden Kräfte für einen Neuanfang freigesetzt.
Mir hilft die Vorstellung, dass in mir schon längst ein göttliches Licht wohnt! Ein unglaublicher Gedanke eigentlich. Dabei ist dies das tiefste Geheimnis von Weihnachten: Nicht nur das Gott Mensch geworden ist und ein unauslöschliches Licht in diese Welt gebracht hat. In jedem und jeder von uns lebt dieses Licht!
Ich möchte Sie einladen, an Weihnachten wieder in Kontakt mit diesem Licht zu kommen. Auch wenn die Dunkelheit Sie gefangen hält. Dieses Licht ist da! Vertrauen Sie darauf.
Sr. Jona Marie
Interesse an weiteren Impulsen? Schauen Sie in unser Archiv.