Besuch bei Jugoslav im Erdbebengebiet

Ein ermutigender Bericht von Sr. Martina aus Kroatien über den Fortgang unserer Erdbebenhilfe.

28. Dezember 2020. Zwei schwere Erdbeben binnen 30 Stunden südlich von Zagreb zerstören mehrere Ortschaften. Wir starteten eine Hilfsaktion. Ein Teil der eingegangenen Spenden ging im April 2021 an Jugoslav und seine Familie. Er hatte damals nicht nur sein Haus verloren, sondern auch sein Vermögen – und seine Gesundheit. Ein Schlaganfall hat sein Erinnerungsvermögen ausgelöscht. Frau Liker, unsere Heimleiterin, berichtete im Mai 2021 von einer berührenden Begegnung.
Danach waren nochmals Spenden eingegangen. Bei unserem Arbeitsaufenthalt in Kroatien Mitte Juli wurde nun ein Tag freigehalten für eine Begegnung mit Jugoslav und seiner Familie.

Wir sind zu fünft: Mia Liker und vier Mitglieder des Verwaltungsrates. Nach zwei Autostunden in den Südosten von Zagreb entlang der Una, dem Grenzfluss zu Bosnien, biegen wir ab. Die letzten Dörfer wirken ärmlich. An vielen Häusern sind noch die Einschüsse aus dem Krieg gegen Kroatien der 90er Jahre erkennbar. Die Trümmer der Erdbebenschäden vom Dezember 2020 sind nur teilweise weggeräumt. Der Weg wird schmal und unwegsam, hat Schlaglöcher und führt aufwärts, bis wir auf einer Anhöhe stehen, umgeben von Wäldern – dem Anwesen von Jugoslav. Er erwartet uns schon, lächelt ein wenig verlegen. Auch seine Frau und seine Kinder kommen uns entgegen. Die Begrüßung ist herzlich. Jugoslav zeigt uns stolz, was seit April entstanden ist: das Areal ist aufgeräumt. Neben dem abgebrannten Haus ist der Boden hinter dem Wohncontainer betoniert – das Fundament fürs neue Haus.  Metallstifte am Boden umreißen, wo die Wände des Neubaus hochgezogen werden. Das alles macht er allein mit seiner Familie. Die Kinder, ein Junge und drei Mädchen zwischen 11 und 17 Jahren, haben Ferien und packen mit an. Bis zum Wintereinbruch wird ein Stockwerk hochgezogen und das Dach fertig sein. Wovon er lebt, fragen wir. Er erhält 3500,-- Kuna Krankengeld, sagt er (ca. 500,-- €), und seine Frau arbeitet in einer Metzgerei. Das muss reichen. Arbeitsfähig ist Jugoslav noch nicht.

Während wir zum Wildgehege gehen, erzählt mir Mia Liker, wie hart Jugoslav und seine Frau Milka gearbeitet haben, damit Jugoslav ins Leben zurückfindet. Milka hat täglich aufgeschrieben, was der Tag mit sich brachte – und es am nächsten Tag Jugoslav vorgelesen. Ganz langsam ist es ihm nun wieder möglich, das Erlebte zu behalten. Die körperliche Kraft kommt allmählich zurück. Jugoslav hat noch Gefühlsstörungen, und das Schreiben fällt ihm schwer. Dennoch verfolgt er mit unglaublicher Zähigkeit seinen Plan, nicht nur sein Haus neu zu bauen, sondern auch seinen Traum umzusetzen: Bau kleiner Blockhäuschen auf der Anhöhe für Menschen mit behinderten Kindern. Die Esel und Schafe im nahen Wäldchen – schon vor dem Erdbeben erstanden – werden Therapietiere sein, und die dann gewonnene, hochwertige Eselsmilch will er den Eltern für die Kinder schenken. Das EU-Büro ist wieder eingeschaltet – sein Ökoprojekt hat durchaus Chancen, im zweiten Anlauf bewilligt zu werden.

Nach der Spendenübergabe sind wir zu einem leckeren Mahl eingeladen – mit Produkten aus Haus und Hof, versteht sich. Wir sagen Jugoslav, wie sehr wir seinen Überlebenswillen bewundern. „Nie aufgeben“, sagt er, „niemals…“ und lächelt wieder.

Wir sind nachdenklich, als wir zurückfahren. Wir haben die Opfer der Flutkatastrophe in Deutschland im Kopf – und die Bilder der Helfer, die spontan zur Stelle sind. Menschen sind Überlebenskünstler. Und dass sie im Herzen gut sind, das zeigt sich in Notlagen und Katastrophen, hier und daheim und überall. Jugoslav hat zudem das Glück einer klugen, liebevollen Frau und vier Kinder – und er hat Sie, die Spender, die uneigennützig an Menschen spenden, die sie nicht kennen.
WIR SAGEN DANKE!

Autor: Sr. Martina Selmaier2021-07-24

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)