Colegio Maria Goretti und der Schwesternkonvent in Lima

Auf meiner Reise durch Peru mache ich zum vierten Mal Station in Lima und wohne in "meinem Zimmer" im Konvent "Maria Goretti" in La Victoria.

Das ist ein Viertel eher im Süden der peruanischen Hauptstadt - hier gibt es viel Schmutz, nachmittags kommt der Straßenverkehr auf der Huanuco-Straße regelmäßig zum Erliegen und es ist laut, richtig laut. Touristen werden eindringlich gewarnt, in diesem Stadtviertel zu übernachten und das Areal Gamarra, wo der Konvent liegt, bietet von allem noch eine Steigerung. Es ist das Viertel der Textilhersteller - hier kauft man Mode und Stoffe aller Label und lässt Sonderanfertigungen machen. Produziert wird in ehemaligen Wohnhäusern, viele Stockwerke übereinander, in jeweils mehreren Hinterhöfen. Hier gibt es alles ...Nähmaschinen, Druckautomaten, Garne, Ersatzteile, ballenweise Stoffe... Knöpfe, Bänder, Schnallen, Stickautomaten, Scheren, Lineale, Schnittmuster...

Die Schwestern sind hier mitten im Leben bei den Bedürftigsten und betreiben neben einer Schule auch eine Poliklinik bzw. Ärztehaus. Von hier aus gehen die Schwestern zu ihrem Seelsorgedienst in Krankenhäuser oder die Armenküchen, in die Kirchgemeinden, in die Schule. Am Tag läutet es öfters an der Tür im Konvent - meist sind es Bedürftige, die nach einer Essensspende fragen. Deshalb steht schon immer vom frühen Morgen an eine Schale mit abgepacktem Essen bereit, das durch eine kleine Klappe gereicht werden kann. Heute ist es Quinoasuppe und Brot. Morgen ist es vielleicht Reis und Gemüse oder ein Beutel Hühnersuppe mit Brot. Flüssigkeiten werden hier in Plastikbeuteln abgepackt - das ist für Europäer echt ungewohnt. Doch nicht nur um Essen wird gebeten, auch um das Gespräch. Dafür gibt es kleine Gesprächsräume gleich im Eingangsbereich.

Das ganze Areal ist mit Toren, Gittern und Zäunen abgeschlossen, auf den Mauern spannt sich Stacheldraht... Hier fallen auch mal Schüsse und zu bestimmten Zeiten sollte man - vor allem als deutlich zu erkennende Ausländerin - nicht raus gehen. Nachts bewachen Sicherheitsdienste einige der Geschäfte und Läden auf der Huanuco-Straße und dokumentieren früh mit einem Foto vom Objekt, dass alles in Ordnung ist. Dafür müssen sich dann die dort Schlafenden kurz erheben, denn auf dem Foto muss alles ordentlich aussehen. Alltag in La Victoria...

In die Schule der Schwestern - eine Privatschule "Colegio Maria Goretti" - gehen 392 Schülerinnen und Schüler. Es arbeiten dort 26 Lehrer, Professores genannt. Das Schulgeld in Höhe von 350 Soles ist monatlich zu zahlen und liegt an der unteren Grenze vergleichbarer Schulen. Ganz bewusst wollen die Schwestern damit hier Anwohnern und auch Fabrikarbeiter-Familien aus dem Viertel die Gelegenheit zur guten Schulbildung ihrer Kinder geben. 20 Kinder aus stark benachteiligten Familien besuchen die Schule kostenfrei und 11 Kinder haben Paten, meist aus Deutschland, die das Schulgeld entrichten. Nur mit Bildung haben gerade die Kinder aus einfachen Verhältnissen eine Chance auf eine wirtschaftlich selbständige Zukunft.

Sr. Janet, die Schuldirektorin führt mich herum, stellt mich in den Klassen vor, die Kinder stellen Fragen oder ich kann ein paar Wörter auf Deutsch lehren. Im Colegio lernen Kinder zwischen 4 und 18 Jahren. Initial ist die erste Stufe der Schule für zwei Jahre - wir könnten uns darunter die Vorschule vorstellen. Die kleinen Jungs und Mädchen tragen schon Schulkleidung, haben einen Ranzen und eine Brottasche. Danach kommt die Primaria - so etwa eine lange Grundschule und dann kommt die Sekundaria, die im Colegio mit dem Abitur - hier Promotion genannt - abschließt. Die Schulfarben sind blau und weiß - auch die Gebäude der Schwestern haben dieses Mittelblau im Anstrich.

Wie sieht eine peruanische Schule aus? Es gibt einen Empfang - dort werden die Schüler in der Regel von einer Person begrüßt und am Nachmittag auch verabschiedet. Das geschieht meist sehr herzlich und überaus persönlich - mit traditionellem peruanischen Küsschen und ab und an mit einer herzhaften Umarmung. Jeder Schüler erfährt persönliche Ansprache - beim Kommen und beim Gehen. Vom Foyer mit Plaketten und Urkunden, einer Franziskus- und einer Maria Goretti-Darstellung und dem großen "paz y bien" (Friede und Heil), einem großen Kreuz und Klassenfotos geht es in die einzelnen Etagen, die hier in Lima nach Schulart gegliedert sind - die Kleinsten sind unten und die Sekundaria ganz oben, die mittlere Etage gehört der Primaria. Es gibt eine Aula für große Zusammenkünfte, einen Konferenzraum, eine Bibliothek, ein Kabinett für Physik, Kunst und für den Informatikunterricht, Karten- und Materialräume, einen Raum der Stille (wird von Schülern und Lehrern genutzt) und neben mehreren Toilettenanlagen auch zwei Sportplätze - im Treppenhaus ein großer Schrank, in dem hinter Glas ein menschliches Skelett steht - also sehr ähnlich unseren deutschen Schulen.

Die Türen der Klassenzimmer stehen zum Gang hin alle offen - habe ich so noch nicht erlebt. Die Ausstattung der Klassenzimmer besteht aus Stühlen und Tischen für die Schüler - meist sind es 30 pro Klasse oder 25 pro Kurs im Abschlussjahr. Oft sitzen die Kinder an Einzelarbeitsplätzen. In einem Klassenzimmer gibt es aber auch noch die alten Holz-Klapp-Schreibtische, die schon 70 Jahre alt sein sollten - sehen cool aus und funktionieren tadellos. Im Klassenraum gibt es meist keine Schränke, nur noch den Arbeitsplatz für den Lehrer vorn mit Tafel, Beamer-Anlage. In den verschiedenen Klassenstufen war die Reaktion auf meine Vorstellung durch die Direktorin ganz unterschiedlich - von schüchtern/verschämt bis interessiert und Fragen stellend. Im Englisch-Unterricht konnte gleich mal angewandt werden, wie man sich begrüßt und verabschiedet und im Mathematikunterricht habe ich die Zahlen 0-10 auf Deutsch vorgestellt.

"Was ist dein Lieblingsessen in Peru?" ... War eine Frage und wie war das mit dem geteilten Deutschland nochmal? Was ist gerade für ein Wetter in Deutschland? - alles war ganz kurzweilig. Die Kleinsten haben ein Lied gesungen und die Großen hatten draußen Sport - und Sr. Janet wurde immer wieder am Telefon verlangt oder musste kurzfristig etwas unterschreiben - es gibt auch in Perus Schulen viel Verwaltungskram zu erledigen.

Was mir schon in der Schule der Schwestern in Huánuco aufgefallen ist - das meist sehr herzliche und freundschaftliche Verhältnis zwischen Schülern und Lehrern. Auch da gibt es viel Nähe, wird sich mehr oder weniger fest umarmt und ein Küßchen auf die Wange gegeben.... Als das Lehrerkollegium für das neue Schuljahr durch die dortige Schuldirektorin, Sr. Ildaura, vorgestellt wurde, gab es lautes Klatschen bis Beifallsstürme von den Schülern... Mit echter Begeisterung und nicht aus bloßem Anstand - das war eine ganz neue, sehr positive  Erfahrung für mich.

Auf die Frage, was für einen Wunsch sie für die Schule in Lima hätte - kam nach einigen hartnäckigen Nachfragen ein Problem zu Tage. Die Schule hat einen wunderschön gestalteten Sportplatz - kann ihn aber eigentlich nicht nutzen, weil er keine Bedachung hat. Also kann diese wohl bestimmt teure Investition mit schönem Logo nur in den frühen Morgenstunden genutzt werden, wenn die Sonne noch tief steht. Es ist eine staatliche Forderung, dass alle schulischen Außenflächen bedacht sein müssen und das ist in Äquatornähe dringend erforderlich - hier ist es im Sommer heiß und sehr sonnig - 30 Grad mittags sind ganz normal. Die Schwestern berichten mir, dass man mit einer Strafzahlung rechnen muss, weil die Vorraussetzungen für den Schulbetrieb nicht erfüllt werden... Das ist ein super Projekt für den jährlichen Adventsbasar.

 

Autor: Uta Fielitz 2024-03-23

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)