Ich wünsche Dir die Erfahrung von Barmherzigkeit

Ein Wort zum Sonntag der Barmherzigkeit

Vom 8. Dezember 2015 bis zum 20. November 2016 beging die römisch-katholische Kirche das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“. Seitdem vermitteln wir mit dem Aushang allen, die zu uns an die Haustür des Mutterhauses in Vierzehnheiligen kommen: Die Tür steht offen – mehr noch das Herz.

Aber, Moment mal: ist das nicht ein Widerspruch? Seit Ausbruch der Corona-Pandemie ist unsere Tür geschlossen. Wir folgen den von der Regierung verhängten Ausgangsbeschränkungen. Das bedeutet auch, dass wir seit mehreren Wochen keine Gäste aufnehmen. Alle zur Haus- und Dienstgemeinschaft Gehörenden wissen um die Einlassbedingungen: bitte Abstand halten und Hände gründlich waschen bzw. desinfizieren. Und trotzdem bleibt die Botschaft: Die Tür steht offen – mehr noch das Herz.

Barmherzigkeit üben ist eine zutiefst franziskanische Haltung. Sie kann sichtbar sein – vor allem in den sogenannten leiblichen Werken der Barmherzigkeit:
•    Hungrige speisen
•    Durstigen zu trinken geben
•    Fremde beherbergen
•    Nackte kleiden
•    Kranke pflegen
•    Gefangene besuchen
•    Tote bestatten

Barmherzigkeit wäre keine Barmherzigkeit, wenn sie nicht spürbar wäre. Deshalb ist der zweite Teil des Mottos so wichtig: „mehr noch das Herz“.

Losgelöst von finanziellen Möglichkeiten,
losgelöst von räumlichen Möglichkeiten,
losgelöst von zeitlichen Ressourcen,
losgelöst von intellektuellen Fähigkeiten,
losgelöst von hierarchischer Position,
losgelöst von Gesundheitsstatus und Alter:

Wir sind Beschenkte – wir dürfen schenken.

Wir empfangen göttliche Barmherzigkeit – wir sind fähig, Barmherzigkeit zu leben.

Barmherzigkeit ist zeitlos.
Barmherzigkeit ist konfessionslos.

Barmherzigkeit schafft Nähe
Barmherzigkeit verbindet
Barmherzigkeit ermöglicht Mit-Leiden
Barmherzigkeit öffnet Herzen.

Franziskus von Assisi schreibt in seinem Brief an einen Minister:
Es darf keinen Bruder auf der Welt geben, mag er auch gesündigt haben, soviel er nur sündigen konnte, der deine Augen gesehen hat und dann von dir fortgehen müsste ohne dein Erbarmen, wenn er Erbarmen sucht. Und sollte er nicht Erbarmen suchen, dann frage du ihn, ob er Erbarmen will (BrMin 9-10).

Ich wünsche jedem Menschen einen tiefen Moment, erfahrener Barmherzigkeit.


Sr. Regina Pröls

"Wenn es dir gut tut, dann komm!"

(Franz von Assisi)